Von Geisterschiffen, Delfinen und Vulkanen: Die Fahrt nach Italien!

15. October 2022 8 By Anton Gruber

11.10.22: Circa 90 Stunden wird die Überfahrt von Athen nach Neapel wohl dauern hat sich Richie, unser Kapitän ausgerechnet. Leider ist der Korinth-Kanal geschlossen, eine beeindruckende Passage durch einen tiefen Kanal, der eher einer Schlucht ähnelt. Aber halb so wild, insgesamt sind es dadurch nur 60 Seemeilen mehr, macht denk ich auf der über 1000 km langen Strecke keinen großen Unterschied. Karen hat sich vor Beginn verabschiedet, sie mag keine Nachtfahrten und daher sind wieder einmal nur ich, Richie und Paul an Bord. Erstaunlicherweise ist Paul trotz seines Alters und beginnender Demenz fit genug, um genau wie wir eine der 6h-Schichten zu übernehmen. So verändert sich der Tagesrhythmus von 24h auf 18h: 6 Stunden eigene Schicht, und 12 Stunden die der anderen Beiden, bzw schlafen.
Und mittlerweile fühle ich mich auch ziemlich sicher im Umgang mit Radar, Kartenplotter und Funkgerät, sodass es mir fast schon Spaß macht! Nur wenn die ganze Zeit über kein Schiff in Sicht ist, das man mit Fernglas und AIS beobachten kann, wirds langweilig. Aber das ist zum Glück nicht oft der Fall. So habe ich das Boot zb selbst durch die Straße von Elafonisos gesteuert. Ganz ohne ein anderes Boot zu rammen! Ich bin relativ stolz auf mich!

Es ist mittlerweile Montag, der dritte Tag auf See und ich bin kurz davor, meine Schicht zu beenden: Um 12 Uhr ist immer Wechsel und Richie ist schon da, um mich abzulösen. Wir schnacken ein bisschen und er erklärt mir grade die richtige Weise zu Funken, da entdecke ich einen weißen Fleck am Horizont, der aber nicht auf dem Radar zu entdecken ist. “Eindeutig ein U-Boot” scherze ich, als wir beide auch mit dem Fernglas nicht ausmachen können, was es genau ist. Aber je näher wir dem Ganzen kommen, desto klarer wird es, dass es sich um ein Segelboot handelt. Nur ist der Mast gebrochen und treibt neben dem Boot im Wasser! Oh man, mir wird ein wenig mulmig und auch Richie wird ernst. Wir sind nur 30 Seemeilen von der Küste Italiens entfernt, Gefahr für Leib und Leben sehen wir nicht, aber komisch ist das Ganze trotzdem. Das Funkgerät war während meiner Schicht still, wahrscheinlich ist also nichts Schlimmes, unmittelbar bevor wir das Boot entdeckt haben, passiert.

Wir tasten uns näher an das havarierte Boot heran, ohne Gefahr zu laufen, dass sich Reste vom Segel oder der Vertäuung in unserem Propeller verfangen. Richie hupt mehrmals laut und als sich nichts rührt, machen wir einige Fotos und setzen unsere Reise fort. Leider konnten wir keinen Namen auf dem Rumpf entdecken. Wieder unterwegs alarmieren wir die italienische Küstenwache. Auch sie hat noch nichts von dem Boot gehört und bat uns lediglich, die Fotos zu schicken. Bis jetzt wissen wir nichts Genaueres zu dem Boot. Ein echtes Geisterschiff!
Witzig war auch die Reaktion von Paul: Durch die Hupe geweckt ist er in Bademantel an Deck geklettert und wollte wissen, was das für ein ohrenbetäubender Lärm war. Als wir ihm die Situation erklärt und das Wrack neben uns gezeigt haben, fragte er nur, ob wir das jetzt plündern könnten und dass wir ein schön langes Tau nehmen sollen, falls wir das Boot abschleppen würden. “Nee, das lassen wir beides” meinte Richie. “Nagut, dann bis später” sagte Paul, verschwand und machte dabei den Eindruck, als wäre so ein demastiertes Segelboot das Normalste der Welt.

12 Stunden später bin ich wieder auf Schicht, diesmal von 0:00 bis 6:00 morgens. Bzw 23:00 bis 5:00, denn mittlerweile haben wir neben der Straße von Messina auch eine Zeitzone passiert. Und da sehe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen ausbrechenden Vulkan!

Wie ich nach ein bisschen Recherche herausfand, ist der Stromboli-Vulkan seit den letzten 2500 Jahren ununterbrochen am Ausbrechen, weshalb ich zuerst dachte, dass ich kein all zu besonderes Ereignis miterlebt hatte. Aber Richie zeigte mir eine Reihe neuer Nachrichtenartikel als er wieder Internet hatte, die von genau dem Ausbruch berichteten! Scheint also doch ein wenig größer gewesen zu sein.

Am nächsten Morgen stand ich schon nach 4h Schlaf wieder auf und konnte zum Abschluss 50 Seemeilen vor Neapel nochmal Delfine sehen, die um unseren Bug tanzten!