Von Geisterschiffen, Delfinen und Vulkanen: Die Fahrt nach Italien!

11.10.22: Circa 90 Stunden wird die Überfahrt von Athen nach Neapel wohl dauern hat sich Richie, unser Kapitän ausgerechnet. Leider ist der Korinth-Kanal geschlossen, eine beeindruckende Passage durch einen tiefen Kanal, der eher einer Schlucht ähnelt. Aber halb so wild, insgesamt sind es dadurch nur 60 Seemeilen mehr, macht denk ich auf der über 1000 km langen Strecke keinen großen Unterschied. Karen hat sich vor Beginn verabschiedet, sie mag keine Nachtfahrten und daher sind wieder einmal nur ich, Richie und Paul an Bord. Erstaunlicherweise ist Paul trotz seines Alters und beginnender Demenz fit genug, um genau wie wir eine der 6h-Schichten zu übernehmen. So verändert sich der Tagesrhythmus von 24h auf 18h: 6 Stunden eigene Schicht, und 12 Stunden die der anderen Beiden, bzw schlafen.
Und mittlerweile fühle ich mich auch ziemlich sicher im Umgang mit Radar, Kartenplotter und Funkgerät, sodass es mir fast schon Spaß macht! Nur wenn die ganze Zeit über kein Schiff in Sicht ist, das man mit Fernglas und AIS beobachten kann, wirds langweilig. Aber das ist zum Glück nicht oft der Fall. So habe ich das Boot zb selbst durch die Straße von Elafonisos gesteuert. Ganz ohne ein anderes Boot zu rammen! Ich bin relativ stolz auf mich!

Es ist mittlerweile Montag, der dritte Tag auf See und ich bin kurz davor, meine Schicht zu beenden: Um 12 Uhr ist immer Wechsel und Richie ist schon da, um mich abzulösen. Wir schnacken ein bisschen und er erklärt mir grade die richtige Weise zu Funken, da entdecke ich einen weißen Fleck am Horizont, der aber nicht auf dem Radar zu entdecken ist. “Eindeutig ein U-Boot” scherze ich, als wir beide auch mit dem Fernglas nicht ausmachen können, was es genau ist. Aber je näher wir dem Ganzen kommen, desto klarer wird es, dass es sich um ein Segelboot handelt. Nur ist der Mast gebrochen und treibt neben dem Boot im Wasser! Oh man, mir wird ein wenig mulmig und auch Richie wird ernst. Wir sind nur 30 Seemeilen von der Küste Italiens entfernt, Gefahr für Leib und Leben sehen wir nicht, aber komisch ist das Ganze trotzdem. Das Funkgerät war während meiner Schicht still, wahrscheinlich ist also nichts Schlimmes, unmittelbar bevor wir das Boot entdeckt haben, passiert.

Wir tasten uns näher an das havarierte Boot heran, ohne Gefahr zu laufen, dass sich Reste vom Segel oder der Vertäuung in unserem Propeller verfangen. Richie hupt mehrmals laut und als sich nichts rührt, machen wir einige Fotos und setzen unsere Reise fort. Leider konnten wir keinen Namen auf dem Rumpf entdecken. Wieder unterwegs alarmieren wir die italienische Küstenwache. Auch sie hat noch nichts von dem Boot gehört und bat uns lediglich, die Fotos zu schicken. Bis jetzt wissen wir nichts Genaueres zu dem Boot. Ein echtes Geisterschiff!
Witzig war auch die Reaktion von Paul: Durch die Hupe geweckt ist er in Bademantel an Deck geklettert und wollte wissen, was das für ein ohrenbetäubender Lärm war. Als wir ihm die Situation erklärt und das Wrack neben uns gezeigt haben, fragte er nur, ob wir das jetzt plündern könnten und dass wir ein schön langes Tau nehmen sollen, falls wir das Boot abschleppen würden. “Nee, das lassen wir beides” meinte Richie. “Nagut, dann bis später” sagte Paul, verschwand und machte dabei den Eindruck, als wäre so ein demastiertes Segelboot das Normalste der Welt.
12 Stunden später bin ich wieder auf Schicht, diesmal von 0:00 bis 6:00 morgens. Bzw 23:00 bis 5:00, denn mittlerweile haben wir neben der Straße von Messina auch eine Zeitzone passiert. Und da sehe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen ausbrechenden Vulkan!

Wie ich nach ein bisschen Recherche herausfand, ist der Stromboli-Vulkan seit den letzten 2500 Jahren ununterbrochen am Ausbrechen, weshalb ich zuerst dachte, dass ich kein all zu besonderes Ereignis miterlebt hatte. Aber Richie zeigte mir eine Reihe neuer Nachrichtenartikel als er wieder Internet hatte, die von genau dem Ausbruch berichteten! Scheint also doch ein wenig größer gewesen zu sein.

Am nächsten Morgen stand ich schon nach 4h Schlaf wieder auf und konnte zum Abschluss 50 Seemeilen vor Neapel nochmal Delfine sehen, die um unseren Bug tanzten!
Toll, lieber Anton, was Du alles so erlebst❗
Übrigens bin ich vor langer Zeit auch mal durch den Korinth-Kanal gefahren; mit dem größten Pott, der den Kanal damals passieren durfte “The Azur”❗Auf jeder Seite ca. 90 cm Abstand. Das war ‘ne spannende Angelegenheit.
Weiterhin eine schöne und spannende Zeit wünscht Dir Dein Opa Bandik❗😍
Hui, da bin ich ja jetzt fast schon ein kleines bisschen neidisch, der Kanal klang echt interessant!
Lieber Anton, wir sind gerade in Kiel angekommen, die Taschen stehen noch gepackt im Flur und ich habe mir erstmal einen schönen Cappuccino gemacht und deinen Beitrag gelesen. Mich packt sofort das Fernweh und ich finde es super taff, wie du das alles managest. Der Paul scheint ja ein ein etwas seltsamer Typ zu sein wenn er sofort an Plünderung denkt… ich hätte mir auch Sorgen gemacht, ob es vielleicht Überlebende oder zu Rettende gibt. Die Schicht von 23 Uhr bis 5 Uhr stelle ich mir die schwierigste vor, ist es doch die Zeit, zu der wir am ehesten schlafen mögen. Viel Spaß in Neapel und bei den nächsten Seemeilen. Deine Tante, die dich sehr lieb hat und super stolz auf dich ist
Hey, find ich klasse, wie weit oben ich auf deiner Prioritätenliste stehe!
Paul ist kein schräger Typ, das hätte ich anders darstellen sollen. Zu dem Zeitpunkt war klar, dass dort keiner mehr auf dem Boot ist und er war grade aufgestanden. Paul ist oft ein bisschen tüdelig und beginnt dement zu werden, ansonsten ein echt netter Mensch, mit funktionierendem Moralkompass.
Stimmt, die Nachtschicht mag ich auch am wenigsten. Aber wenn man gut schlafen konnte ist es dann meistens auch am stillsten und man kann total in Gedanken oder im Sternhimmel versinken 🙂 Hattet ihr auch Törns über Nacht?
Viele Grüße aus Rom
Nein, keine Nachttörns, aber Rio hatte mal eine Ankerwache übernommen, als wir doch Gewitter und Fallwinde in der Nacht hatten… also nicht vergleichbar mit deinem Abenteuer:-)
Naja! Dafür halt alles mit Segel- statt Motorpower!
Hallo lieber Anton schön von dir so umfangreich zu hören! Wir kamen gerade von Büsum und ich habe Erich deinen interessanten Text vorgelesen. Im Geiste sind wir mitgefahren. Wie anschaulich von dir geschrieben! Große Freude von dir zu hören! Sei herzlich umarmt von deiner Oma Inge und Erich, die dich sehr lieb haben.
Ach klasse das freut mich! Dicker Drücker zurück!